Abflug zurück nach Hause

In der Hauptstadt Jordaniens können Studierende an der Partnerhochschule German-Jordanien University (GJU) studieren und arbeiten. Foto: Matthias Piekacz
An der GJU wird nach dem deutschen Fachhochschulmodell studiert, ein weltweit einmaliges Konzept. Mehrmals im Jahr gibt es gegenseitige Besuche und Austauschprogramme, bei denen auch die jordanische Kultur im Fokus steht. Foto: Matthias Piekacz
5.000 Studierende sind an der GJU eingeschrieben und verbringen einen Teil ihres Studiums in Deutschland. Foto: Matthias Piekacz
Die 24-jährige BWL-Studentin Lioba Stolze wollte ihr Auslandssemester an der GJU verbringen. Nur wenige Tage nach ihrem Ankommen im Land musste sie Jordanien aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus vorzeitig verlassen. Foto: privat

Lioba Stolze hat schon viel von der Welt gesehen. Doch was die BWL-Studentin in Jordanien erlebt hat, könnte ihr das Weltenbummeln vermiesen. Innerhalb weniger Stunden war sie aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus mit einer strengen Ausgangssperre konfrontiert.

Text: Bianca Kahl

„Heute ärgere ich mich, dass ich überhaupt abgereist bin“, erinnert sich Lioba Stolze an die Zeit Anfang März, als sie ihr Praktikum in Amman antreten wollte. Das Auslandssemester ist Pflicht im vierten Semester BWL an der Hochschule Magdeburg-Stendal und die Praktikumsbeauftragte Dr. Beate von Velsen hat die Studierenden lange darauf vorbereitet. „Das ist ein großes Glück, denn so kannte ich alle persönlich“, sagt sie. Lioba Stolze hatte sich zuvor schon Japan, Irland und Kanada erobert. Sie wollte die Chance nutzen und eine ganz andere Kultur kennenlernen. Über das International Office der Hochschule hatte sie Kontakte nach Jordanien geknüpft.

Anfang März gab es schon erste Einschränkungen in anderen Ländern und damit Schwierigkeiten bei den Plänen einiger Studierender. „Doch wie sollte ich ahnen, dass alles so heftig kommt?“, fragt Lioba Stolze. Das Ankommen und das erste Arbeiten im Karrierecenter der Deutsch-Jordanischen Universität lief zunächst wie geplant: „Es war aufregend und ich musste mich erst einleben.“

Aus dem Einleben wurde dann aber nichts. Ihre Aufgabe wäre gewesen, die ausländischen Studierenden an der Universität zu betreuen. „Tatsächlich ging es eher darum, alle irgendwie wieder nach Hause zu bringen.“ Beate von Velsen, die im Fachbereich Wirtschaft lehrt, und das International Office in Stendal sensibilisierten ihre Schützlinge weltweit und ermutigten dazu, ohne Druck persönliche Entscheidungen zu treffen. „Wir suchten von Anfang an nach studierendenfreundlichen Lösungen und der Möglichkeit von Ersatzleistungen, zum Beispiel Inland-Praktika“, sagt von Velsen, die fortan auch mit ihrer privaten Handynummer beratend zur Seite stand, sogar nachts.

Lioba Stolze wurde in Jordanien ins Homeoffice delegiert. Die 24-Jährige war gerade einmal ein paar Tage im Land, als die Grenzen geschlossen werden sollten. „Am nächsten Tag riet mir meine Chefin, dass ich lieber schnell nach Hause fliegen soll“, erzählt sie. Doch zu diesem Zeitpunkt war es bereits unmöglich, einen Flug zu ergattern. Selbst die Deutsche Botschaft konnte nicht helfen. Das Land befand sich im Ausnahmezustand. Die Flughäfen wurden geschlossen.

„Es war ein Schock, doch ich hatte eigentlich keine Angst. Mir ging es gut bei meiner Gastfamilie und ich konnte mit meinen Eltern telefonieren.“ Schlimm wurde es, als innerhalb weniger Stunden alle Läden dichtmachten und die Menschen unter der Androhung von Gefängnis nicht mehr auf die Straße durften. Dann kam der Anruf von der Botschaft und es gab kurzfristig einen Flug nach Deutschland. Doch Lioba Stolze sollte allein zum Flughafen kommen und die Gastfamilie wagte es nicht, sie mit dem Auto zu fahren. Ihr stand ein Fußmarsch durch die Stadt bevor. Das wäre nicht ungefährlich gewesen. Glücklicherweise konnte ein Kollege sie spontan mit dem Auto mitnehmen und sie kam sicher zurück nach Hause.

Nun ist sie erleichtert, aber auch enttäuscht: „Eigentlich habe ich nichts von dem Land gesehen. Erst hat es heftig geregnet und dann durfte ich nicht mehr raus.“ So möchte sie Jordanien nicht in Erinnerung behalten. Sie hofft, dass sie irgendwann die Gelegenheit bekommt, das Land als Touristin zu erkunden.

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