Kochen als Rezept für Inklusion

 

Beim gemeinsamen Kochen wachsen die Teilnehmenden zusammen und lernen sich sowie ihre jeweiligen Stärken kennen. Foto: Max O´Dell, Swantje van de Ven, Victoria Batz

Menschen mit und ohne Behinderung sollen in der Lage sein, selbstbestimmt und flexibel sowie orts- und zeitunabhängig mit- und voneinander zu lernen. Dieses ambitionierte Ziel verfolgt das Bundesprojekt „Inklusive Küche 4.0“ der Hochschule Magdeburg-Stendal, das hierfür eine digitale Lehr- und Lernumgebung für Auszubildende im Bereich Küche erforscht und entwickelt. Den Auftakt machte ein inklusiver Kochworkshop am Oberstufenzentrum Prignitz in Wittenberge.

Text: Swantje van de Ven, Inga Lipowski, Sven Küchler und Katharina Remiorz

Neben Salat, Tomaten und Kartoffeln auf der einen, reihen sich Nüsse, Orangen und Käse auf der anderen Seite. Dazwischen wird eifrig gewaschen, geschnitten, gehackt und geschält. Für die vier angehenden Köche, vier Azubis zum Fachpraktiker Küche sowie vier Beschäftigten des Küchenbereichs ist es ein aufregender Tag: Sie alle kennen sich kaum oder gar nicht, bereiten aber gemeinsam ein köstliches Vier-Gänge-Menü zu.

Kochen als Leidenschaft – diesen gemeinsamen Nenner sieht das Projektteam um Prof. Dr. Matthias Morfeld, Professor für Rehabilitationspsychologie, und Prof. Dr. Michael Herzog, Professor für Wirtschaftsinformatik, als Geheimrezept, um die berufliche Bildung im Bereich Küche für Menschen mit und ohne Behinderung inklusiv zu gestalten. Im August 2018 startete ihr dreijähriges Forschungsprojekt „Inklusive Küche 4.0: Bildungs- und Barrierefreiheit durch Digitalisierungsinstrumente in der beruflichen Ausbildung“, kurz IKKE, das im Verbund mit dem BBZ Berufsbildungszentrum Prignitz GmbH, dem Oberstufenzentrum des Landkreises Prignitz und der Lebenshilfe Prignitz e. V. durchgeführt wird. Kernziel des Projekts ist die Entwicklung und Erforschung einer innovativen, digitalen Lehr- und Lernumgebung für die berufliche Bildung. Hauptgedanke ist, dass Menschen mit und ohne Behinderung oder Beeinträchtigung mithilfe digitaler Instrumente systematisiert mit- und voneinander lernen – und zwar flexibel, orts- und zeitunabhängig. 

„Die Individualität der Lernenden steht dabei im Vordergrund“, so das Projektteam. Dafür sollen die Ausbildungsbetriebe sensibilisiert werden. „Die Unterstützung der Unternehmen im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigung oder Behinderung führt zu einem Ausbau der Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten und bietet somit einen Lösungsansatz für den Arbeits- und Fachkräftemangel“, erklärt Projektmitarbeiterin Inga Lipowski. Um gemeinsame, barrierefreie und vernetzte Lernorte zu schaffen, eruieren und erarbeiten die Partner im Austausch miteinander entsprechende praxistaugliche, modulare und digitale Lehr- und Lernmaterialien. „Momentan erfolgt das Lernen meist analog sowie in getrennten Gruppen, zum Beispiel in Werkstätten für behinderte Menschen oder in separaten Ausbildungssystemen, und tragen somit der Diversität der beruflichen Bildung kaum Rechnung.“

Der Auftakt zum gemeinsamen Kennenlernen hätte erfolgreicher nicht sein können. Trotz verschiedener Einschränkungen war das teamorientierte Kochen von einer angenehmen Atmosphäre geprägt. Die Azubis leiteten einander an und glichen durch ihre verschiedenen Stärken mögliche Beeinträchtigungen aus. „Mir hat gefallen, dass wir relativ frei arbeiten und entscheiden konnten. Ich habe mich ein bisschen wie ein Lehrer gefühlt. Das war mal eine ganz neue Situation für mich.“, so Erik Neumann, Koch-Auszubildender im zweiten Lehrjahr. Sarah, ebenfalls im zweiten Lehrjahr und Auszubildende zur Fachpraktikerin Küche, sagt: „Alles war toll. Vor allem die Zusammenarbeit mit den anderen.“ Das Miteinander in der Küche und das Endresultat in Form eines ausgezeichneten Menüs sprechen für sich und machen Lust auf mehr. 

Ab August geht das Projekt in die nächste Stufe und vereint die Vermittlung von Ausbildungsinhalten von Auszubildenden zum Koch und zum Fachpraktiker Küche zusammen mit Menschen mit Beeinträchtigung oder Behinderung am Oberstufenzentrum Prignitz. Hier soll eruiert werden, ob auch das gemeinsame inklusive Lernen neben dem praktischen Zusammenarbeiten genauso gut funktioniert und wie die Digitalisierung unterstützend helfen kann.

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