Saftpressen gegen Praxisschock

Abnehmbare Kapseln, die sich in der Spülmaschine reinigen und im Kühlschrank lagern lassen – damit überzeugt der elektronische Slow Juicer Protoyp. Grafik: Daniel Domin, Ariane Rietmann, Henri Konschak, Emilio Erbe
Sieht so der Dampfentsafter der Zukunft aus? Ein Entwicklerteam aus dem Studiengang Industrial Design gestaltet das klassische Modell neu und plant eine Steuerung per App ein. Grafik: Sarah Knorr und Willy Reinhard

Manchmal stellt der Übergang von der Hochschule in die Wirtschaft Studierende vor Herausforderungen. Der Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Industriedesign der Hochschule Magdeburg-Stendal bereitet mit interdisziplinären Projekten darauf vor.

Text: Katharina Michel

Vorsichtig füllen die Studierenden die Himbeeren in den Trichter ihrer Saft- und Ölpresse. Über einen Hebel setzten sie anschließend die Schnecke des Prototypen in Bewegung, welche den Saft aus den Früchten presst. Die Apparatur leckt noch etwas. Studierende und Lehrende schauen trotzdem gespannt auf den Auffangbehälter der Presse. Dann ist er da, der Tropfen Himbeersaft, auf den alle gewartet haben.

Das interdisziplinäre Projekt der Studiengänge Elektrotechnik, Maschinenbau und Industrial Design an der Hochschule Magdeburg-Stendal hat in diesem Semester erneut bewiesen, dass studieren mehr ist als wissenschaftliche Texte zu lesen, über theoretische Konzepte zu diskutieren oder Hausarbeiten zu schreiben. In den vergangenen Monaten stellten sich elf Studierende der Herausforderung, eine effizient arbeitende, universell einsetzbare und einfach zu reinigende Saftpresse zu entwickeln.

Am Ende des Wintersemesters präsentierten drei Entwicklerteams schließlich ihre Ergebnisse. Dabei zeigte sich, dass die Studierenden die Aufgabe ganz unterschiedlich umgesetzt haben: Neben der handbetriebenen Saft- und Ölpresse stellten die Gruppen den Prototypen eines elektronisch betriebenen Slow Juicers sowie das Modell eines smarten Dampfentsafters, dessen Steuerung auch per App möglich sein soll, vor.

Für Prof. Dr.-Ing. Dieter Schwarzenau, der am Institut für Elektrotechnik Kommunikationstechnik lehrt und das interdisziplinäre Projekt zusammen mit Prof. Jan Bäse, Prof. Dr.-Ing. John-Glen Swanson und Prof. Dr.-Ing. Christian-Toralf Weber leitete, ist die Themenauswahl jedes Jahr eine Herausforderung: „Wir müssen ein Thema finden, dass möglichst alle Studiengänge anspricht, nicht zu kompliziert ist und in einem Semester abgeschlossen werden kann.“ In den vergangenen Jahren seien Halterungen für Fahrradcomputer, Ladegeräte für Smartphones und Küchenwaagen entwickelt worden. Dieses Jahr hat man sich für eine Saftpresse entschieden. Am Ende sei für den Professor aber nicht das Ergebnis des Projektes, sondern etwas ganz anderes entscheidend: dass die Studierenden etwas für die spätere Praxis mitnehmen.

Seine eigenen Erfahrungen in der Wirtschaft waren es auch, die Schwarzenau 2006 dazu bewegt haben, die Kooperation der Studiengänge anzustoßen. „Der größte Praxisschock nach meiner Ausbildung an der Universität war, dass ich plötzlich mit Betriebswirten und Ingenieuren anderer Fachrichtungen zu tun hatte“, erzählt er. Unterschiedliche Arbeits- und Denkweisen hätten zu Missverständnissen geführt, unter denselben Begriffen habe man Unterschiedliches verstanden. „Es ist mein Wunsch, unseren Studierenden diese Erfahrung schon möglichst früh mitzugeben.“

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit hat auch Schwarzenaus Studierenden in diesem Wintersemester vor verschiedene Herausforderungen gestellt. „Man muss zuerst eine gemeinsame Sprache finden“, erklärt Maschinenbau-Student Samuel Pioch, der an der Entwicklung der handbetriebenen Presse beteiligt war. Außerdem habe man Kompromisse eingehen müssen, um die Vorstellungen von Maschinenbau- und Design-Studierenden zu vereinbaren. Seine Kommilitonin Lina Holz, Studentin im Studiengang Industrial Design, erzählt, dass es auch verschiedene Vorstellungen von der Strukturierung der Arbeit gegeben habe. Trotz der Herausforderungen sind sich Holz und Pioch jedoch einig: „Die Zusammenarbeit und die Entwicklung eines funktionierenden Prototyps hat Spaß gemacht.“

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