Drauf, drüber, drunter: Parkour

Michael Schütze, Parkourtrainer in Magdeburg, zeigt der Autorin, wo es lang geht. Fotos: Lukas Schulze

Aus treffpunkt campus Nr. 71, 02/2013

Stickige Luft, langweilige Geräte – wer keine Lust mehr auf das Fitnessstudio hat, findet vielleicht in der Kunstform und Sportart Parkour eine neue Herausforderung. Für treffpunkt campus wagte sich Redakteurin Nancy Hase auf die Straßen Magdeburgs und folgte dem Trendsport.

Text: Nancy Hase

Mit einem leicht mulmigen Gefühl mache ich mich auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt. Auf der Strecke fallen mir schon einige Dinge ins Auge, die gut zum Drüberspringen, Langhangeln und Balancieren wären. Ich bin gespannt, was mich erwartet. Vor der Elbeschwimmhalle sehe ich einen sportlich gekleideten Mann, der sich zwischen zwei Fahrradständern hin und her schwingt: mein Parkour-Trainer Michael Schütze.

„Parkour“, so erklärt er mir, „ist kurz zusammengefasst das effiziente und sichere Überwinden von Hindernissen im urbanen Raum.“ Es geht vor allem um geistige und körperliche Kontrolle, Effizienz und Sicherheit. Man bewegt sich dynamisch und ohne Hilfsmittel über Hindernisse – klettert, springt, hangelt und durchbricht. Dabei gibt es nur wenige Einschränkungen. Der Ehrenkodex oder die Philosophie von Parkour beinhaltet den Respekt vor anderen Menschen und fremdem Eigentum. Genauso wichtig ist, die Belastbarkeit von Objekten einzuschätzen und dabei natürlich auch sein eigenes Können.

Nach ein paar Minuten treffen immer mehr „Traceurs“, wie die Sportler bzw. Läufer im Parkour genannt werden, ein. Wir sind zu zehnt, acht Männer und zwei Frauen. Zur Erwärmung drehen wir vier Runden, und ich bin schon ziemlich aus der Puste, als wir uns wieder im Parkdeck versammeln. Was jetzt folgt, sind schlimmen Muskelkater verursachende Beinübungen, Liegestütze und Balance- und Lockerungsübungen. Danach geht es noch die Treppe hoch, aber nicht so, wie wir das kennen, sondern auf allen Vieren rückwärts, vorwärts wieder runter, durch Fahrradständer hindurch, um dann, an einer Wand angekommen, wieder Liegestütze zu machen. Unser erstes Übungsobjekt ist eine Mauer, an die wir uns auf Spiderman-Art dranhängen und versuchen müssen uns hochzuziehen. ich scheitere bereits beim ersten Versuch. Schnell stelle ich fest, dass man für Parkour viel Kraft und Ausdauer braucht und auch, dass der ein oder andere Klimmzug im Fitnessstudio nicht schaden kann.

Parkour wurde Ende der 1980er-Jahre von David Belle in Frankreich entwickelt. Als Grundlage diente die sogenannte „méthode naturelle“, die Bewegung im Freien und der geistige Einklang mit der Natur, die Belle von seinem Vater, einem ehemaligen Vietnamsoldaten, gelehrt bekam und auf urbane Gegebenheiten übertrug. Also das Überwinden von Mauern, Bauzäunen, Bänken, Geländern und dergleichen. Bereits seit acht Jahren übt mein Trainer Michael Schütze diese Kunst des Fortbewegens aus. Er hat sich alles autodidaktisch beigebracht und erst später mit anderen Leuten zusammen trainiert. im Jahr 2007 gründete er mit seinem Team eine Gruppe namens Senshi-Parkour. Es ist die einzige Gruppe, die öffentliche Trainings und Workshops in Magdeburg anbietet.

„Ernsthafte Verletzungen“, so Michael, „habe ich mir beim Parkour noch nicht zugezogen.“ Zu seinen „Lieblingsorten“ zählt er das Kloster Unser Lieben Frauen, die Johanneskirche und natürlich auch Spielplätze. Auf die Frage, was ihm Parkour bedeutet, antwortet er: „Es ist einfach eine wichtige Komponente in meinem Leben, die mich erfüllt. Mittlerweile denke ich in Parkour.“ Nachdem wir mit der Erwärmung fertig sind, ist es endlich soweit – mein erster Sprung über ein kleines Geländer steht mir bevor. Michael springt zuerst und demonstriert mir den richtigen Bewegungsablauf. „Sieht gar nicht so schwer aus“, denke ich mir und laufe los. Doch kurz vor dem Sprung macht sich ein Gefühl von Angst in mir breit, und ich bremse leicht ab, schaffe es zwar über das Geländer, aber das sieht wohl alles andere als elegant aus. Jetzt verstehe ich auch, was Michael mit geistiger und körperlicher Kontrolle gemeint hat. ich traue mich noch ein paarmal über das Geländer zu springen, aber so mühelos wie Michael bekomme ich es nicht hin. Nach dem Training bin ich ziemlich kaputt, durchgefroren, aber auch irgendwie euphorisch und denke darüber nach, beim nächsten Mal wieder dabei zu sein.

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