Ein Leben in vier Welten

Kreatives Chaos: In seinem Atelier im Werk4 gestaltet, malt und plant Christoph Ackermann seine Bilder, die man regelmäßig in offenen Werkschauen sehen kann. Mehr unter: www.in-die-fluten.de Foto: Matthias Piekacz

Aus treffpunkt campus Nr. 100, 04/2018

Unter seinem Label „In die Fluten“ vereint Designabsolvent Christoph Ackermann seine Arbeit als freischaffender Fotograf, Maler, Graffiti-Künstler und Grafiker. Mit 13 Jahren entdeckte er Graffiti für sich und legte sich den bis heute existierenden Künstlernamen Sonè zu. Von Schaffensprozessen, Kreativitätskrisen und einer weißen Welt.

Interview: Olga Kruse

1993 hast Du begonnen, Graffiti zu gestalten. Wie hat sich die Szene seit den 1990ern verändert?Ich glaube, früher hat man das noch eher aus der Liebe und Hingabe zum Graffiti selbst und zur Hip-Hop-Kultur gemacht. Wir sind damals für 30 D-Mark nach Berlin oder Braunschweig gefahren, nur um für eine D-Mark Sprühaufsätze und dicke Schnürsenkel zu kaufen. Unsere Graffiti-Magazine haben wir gehütet wie unseren Augapfel und uns lag viel daran, wirklich gute Graffitis zu machen. Dieser Spirit ist etwas verloren gegangen.

War Dir schon früh bewusst, dass Du einen künstlerischen Berufszweig einschlagen wirst?
Ja, das lag auch daran, dass mein Bruder Graffiti-Künstler ist. Auch meine Großväter und mein Vater waren Architekten und Maler. Ich hatte also immer ein künstlerisch geprägtes Umfeld, welches mich stets unterstützt hat, einen kreativen Weg zu gehen. Dafür bin ich sehr dankbar. Das Studium an der Hochschule hat mir außerdem sehr viel gezeigt und beigebracht. Es beinhaltete nicht nur Produktdesign, sondern auch Management. Das hat mich sehr gut auf die Selbstständigkeit vorbereitet.

Magdeburg ist nicht gerade als Kunstmetropole bekannt. Wie kommt es, dass Du hier als freischaffender Künstler und Designer tätig bist?
Durch die Graffiti-Malerei erhielt ich sehr früh Aufträge vom Jugendamt und der Stadt Magdeburg. So habe ich bereits Ende der 1990er-Jahre Graffiti-Workshops für Jüngere gegeben. Auch von der Universität folgten Anfragen für Fotografie-Seminare. Während des Studiums hatte ich also schon Klienten und habe als Selbstständiger gearbeitet. Nach dem Studium haben Bekannte von mir eine Sushi-Kette, die Sushifreunde, eröffnet und ich habe das ganze Designfeld übernommen. So folgte eins nach dem anderen. Die meisten Auftraggeber kenne ich schon seit fünf oder sogar zehn Jahren. So weiß ich auch, dass bestimmte Projekte immer wiederkommen.

Klingt als wärst Du ziemlich ausgelastet?
Es ist eine echt sch.ne Abwechslung, wenn man mehrere Tage am Rechner saß, dann rausgeht und eine Wand gestaltet, im Atelier Bilder malt oder eine neue Ausstellung plant. Das Gute ist, dass ich finanziell nie von einer Sache abhängig bin. Das würde zum einen schnell Langeweile bringen und zum anderen bedeutet es auch ein zu hohes Risiko. Aber so kann ich viele Sachen ganz entspannt angehen. Da ich in der Region, mit einigen Ausnahmen, der einzige bin, der derartige Workshops anbietet, habe ich ein Alleinstellungsmerkmal und das ist gerade in einer Stadt wie Magdeburg für einen Künstler sehr wichtig.

Was ist Dir bei Deinen Workshops am wichtigsten?
Wenn ich sehe, dass es den Teilnehmern Spaß macht und Aha-Momente eintreten. Ich habe beispielsweise im Moritzhof einen Kalligraphie-Workshop gegeben. Kalligraphiespitzen kosten viel Geld, man kann sie aber auch unter anderem aus Coladosen selber machen. Alternativen zu finden und sie den Kindern nachhaltig weitergeben zu können, finde ich spannend und schön. Und wenn ich dann irgendetwas in ihnen wecken konnte, freut mich das natürlich sehr.

Wie bist Du zur Malerei und zu Deinem Atelier im Werk4 gekommen?
Ich wollte mich parallel zum Graffiti noch anders ausdrücken. Gerade in den kalten Monaten, kann man ja keine Fassaden gestalten. So war es dann folgerichtig, dass man sich auf der Leinwand ausgetobt hat. Ich mache diese Bilder nicht, um sie zu verkaufen. Das ist für mich einfach eine sch.ne Herzenssache. Aber wenn ich sie verkaufe, dann ist es natürlich umso schöner. Ich bin kein studierter Künstler, sondern über das Graffiti und Design-Studium ein Autodidakt. Und dann gibt es natürlich diese Zufälle: Vor vier oder fünf Jahren war ich auf dem Gelände des Werks4, was damals noch leer stand, und habe eine Wand besprüht, die heute zu meinem Atelier gehört. Als ich erfuhr, dass hier richtige Ateliers entstehen sollen, habe ich mich beworben und tatsächlich den Raum bekommen, den ich damals besprüht habe.

Wie sieht Dein malerischer Schaffensprozess aus?
Musik ist für mich sehr wichtig. Gerade beim Anfangsprozess inspiriert sie mich stark. In diesem Moment entsteht etwas, wo ich nicht weiß, was es später sein wird. Ich arbeite mit spontanen Schwüngen, die ich dann mit neuen geometrischen Ebenen überziehe. Das ist immer ganz spannend, denn ich mache keine Entwürfe.

Und wie gehst Du mit Kreativitätskrisen um?
Das geht von alleine. Man muss ruhig bleiben und gerade hier kann man in die Höfe gehen und ein bisschen gärtnern. Das hilft.

Was würdest Du Menschen, die sich überlegen, einen künstlerischen Lebensweg einzuschlagen, mit auf den Weg geben?
Im Studium habe ich gelernt: Selbstständig zu sein, heißt, selbst und ständig zu arbeiten. Das ist wirklich so. So etwas wie ein Wochenende kenne ich nicht. Von solchen Strukturen muss man sich verabschieden. Es gibt Tage, an denen ich komplett gar nichts mache und dann gibt es Tage, da arbeite ich durch. Die Muse fragt natürlich auch nicht, wann sie kommen darf. So kann es auch manchmal nachts um 3 Uhr werden. 90 Prozent der Sachen, die ich mache, sehe ich jedoch nicht als Arbeit an, sondern tatsächlich noch als so etwas wie meine Leidenschaft, die mir total Spaß macht. Dann geht alles viel leichter von der Hand. Und ich glaube, dass der Blick über den Tellerrand auch sehr wichtig ist. Andere Städte zu bereisen, Ausstellungen zu besuchen, sich mit Menschen auszutauschen und zu schauen, was man für sich oder auch für die Stadt mitnehmen kann.

Welche Veränderung würdest Du Dir für die Welt wünschen und welche Farbe hätte sie?
Mehr Empathie. Vielleicht wäre sie dann weiß: unvoreingenommen und gestaltbar.

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