Plastikfrei – eine Utopie?

Sie sind schwerer zu finden und erfordern oftmals einen höheren Zeitaufwand beim Einkaufen, doch es gibt sie: Alternativen! Schon in handelsüblichen Drogerien und Lebensmittelmärkten tauchen kunststofffreie Produkte auf. In Unverpackt-Läden ist die Auswahl noch vielfältiger. Foto: Matthias Piekacz
Wer ungeduldig ist und Zeit sparen möchte, sollte einen Unverpackt-Laden besuchen. Im schönen Stadtfeld Ost kann man sich in Frau Ernas losem Lebensmittelpunkt – von Cornflakes über Waschmittel bis hin zu Zahnpastatabletten – alles in eigens mitgebrachte oder vor Ort erwerbbare Behältnisse abfüllen. Foto: Matthias Piekacz
Durch die Abfüllanlagen, lassen sich die Produkte problemlos in Gläser oder langlebige Plastikdosen abfüllen. Foto: Matthias Piekacz
Die Produkte in Frau Ernas losem Lebensmittelpunkt sind in erster Linie plastikfrei, zu 90 Prozent Bio und stammen aus der Region. Foto: Matthias Piekacz
Plastikfreie Produkte sind zwar meist etwas teurer, das Gefühl, etwas für die Umwelt getan zu haben, ist jedoch unbezahlbar. Foto: Matthias Piekacz
Als Alternative für mit Mikroplastik gespickte Zahnpasta dienen sogenannte Dentatabs, die sich im Mund auflösen. Foto: Matthias Piekacz

Aus treffpunkt campus Nr. 103, 03/2019

Rund zehn Millionen Tonnen Plastikmüll landen jährlich in den Meeren dieser Welt. Die Auswirkungen sind katastrophal. Lebewesen sterben und die Schuld daran tragen wir. Durch ein bewussteres Kaufverhalten können wir jedoch den Konsum reduzieren und unsere Umwelt schützen. Eine Spurensuche nach Alternativen.

Text: Sarah Krause

Zeit zum Umdenken

Ich betrat die DM-Drogerie, schnappte mir einen Einkaufskorb und schlenderte durch die gefüllten Produktregale. Hier findet man alles – dachte ich jedenfalls! Doch mein gemütliches Schlendern kristallisierte sich schon bald als Schnitzeljagd heraus.

Ein Stück Seife, eingepackt in einer Pappschachtel, löste relativ schnell das Duschgelproblem. Anders sah es dann schon wieder beim Haarshampoo aus. Ich musste erst einmal das ganze Regal von oben bis unten absuchen, bis ich in einer versteckten Ecke eine quadratische Papphülle fand. Zu meiner Überraschung stellte ich darin ein Seifenstück fest und die Aufschrift verriet mir, es handelt sich um festes Haarshampoo.

Als Nächstes stand Zahnpasta auf meinem Zettel. Schnell stieß ich auf eine Packung mit der Aufschrift Denttabs.Die kleinen Tabletten, die man sich auf der Zunge zergehen lässt, bilden eine cremige Masse, die zum Zähneputzen benutzt wird. Jetzt brauchte ich nur noch die passende Zahnbürste. Zwischen den Handelsüblichen fielen mir sofort drei verschiedene, als nachhaltig gekennzeichnete Bürsten ins Auge, alle versehen mit einem Holzgriff. Nach langem Überlegen entschied ich mich für die Teuerste mit pinkem Borstenkopf. Die vier Produkte ließen mich tiefer ins Portemonnaie greifen als gedacht. Beinahe 15 Euro bezahlte ich an der Kasse. Das Gefühl, etwas bewusst für unsere Umwelt zu tun, war trotzdem gut.

Plastik wohin das Auge reicht

Ein Alltag ohne Kunststoff, so der wahre Name des Übeltäters, ist gar nicht so einfach und schon bei einem Rundgang durch meine WG stellte ich fest, dass ein kompletter Verzicht utopisch scheint. Zu viele Alltagsgegenstände bestehen aus der festen Verbindung von Makromolekülen. Der Sinn meines Experiments besteht zum Glück nicht darin, auf alles zu verzichten, sondern den Kunststoffkonsum an vermeidbaren Stellen einzuschränken.

Handlungsbedarf ist auf jeden Fall notwendig, wenn man bedenkt, dass jedes Jahr rund zehn Millionen Tonnen Plastikmüll in die Weltmeere gelangen. Durch Wasser und Sonne in seine Grundstrukturen zersetzt, wird sogenanntes Mikroplastik zum gefährlichen Gegner für alle Lebewesen. Aber auch auf dem Festland sind die Müllberge, die nicht ordnungsgemäß recycelt werden, eine große Herausforderung. Zwischen 400 bis eine Million Menschen sterben weltweit an den Folgen von Müll – von den Tieren zu Wasser, Land und Luft ganz zu schweigen. Sich bewusster für die Umwelt einzusetzen, trägt dazu bei, dass wir in Zukunft nachhaltiger leben und auch das Leben anderer nicht gefährden.

Alternativen finden

Ich recherchierte im Internet nach Alternativen für plastikfreie Ware: Avocadostore ist ein Unternehmen mit Sitz in Hamburg und bezeichnet sich selbst als „Deutschlands größten Marktplatz für Eco Fashion und Green Lifestyle.” Ein Besuch auf der Webseite zeigt, wie vielfältig und nachhaltig die Produkte sind. Eine tolle Möglichkeit, dem Kunststoffkonsum zu entrinnen.

Doch man muss nicht unbedingt online einkaufen und somit unnötig Energie für den Transport verbrauchen, wenn sich direkt vor der Tür ein Unverpackt-Laden befindet: Frau Ernas loser Lebensmittelpunkt – genau nach meinen Geschmack. Hier kann man die Ware, wie der Name schon sagt, zum größten Teil unverpackt kaufen. Ich zögerte nicht lang und setzte mich mit Besitzerin Sarah Werner in Verbindung.

Als ich zu ihr kam, war der Laden rappelvoll und dennoch fand Sarah Zeit für ein Gespräch. Die studierte Sozialpädagogin war zunächst nur mäßig mit dem Thema Nachhaltigkeit vertraut. Ihr Freundeskreis während des Studiums an der Hochschule Magdeburg-Stendal und ihre anschließende Berufstätigkeit im Waldorf-Kindergarten führten dazu, dass Themen wie Ernährung, Lebensmittel, Gesundheit und Umwelt immer wichtiger für sie wurden. Parallel dazu fiel ihr der übermäßige Plastikkonsum beim Einkaufen auf und sie beschloss, ihr Kaufverhalten zu überdenken. Schon damals keimte zunehmend die Idee in ihr auf, einen Unverpackt-Laden zu gründen. Im Herbst 2017 war es dann so weit und sie eröffnete gemeinsam mit einem Freund ihr eigenes Geschäft. Ein Jahr später wurde sie dafür sogar vom Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung Sachsen-Anhalt zur Gründerin des Jahres ernannt.

Der Umwelt zuliebe

Die Produktpalette stützt sich auf drei Säulen: Die Größte widmet sich natürlich dem Ziel, unverpackt oder mindestens in Form von Mehrwegverpackungen einkaufen zu können. „Trockenprodukte wie Müsli, Cornflakes oder Getreide bestellen wir in 25 Kilo Pappsäcken, die wir problemlos in unsere Spender umfüllen können”, erklärt sie mir. Die zweite Säule stellt Bioqualität in den Fokus. Die dritte kennzeichnet Produkte, die aus der Region stammen. So bietet Sarah Werner beispielsweise Joghurt, Quark und Frischkäse vom Hof Pfaffendorf an. Gleichzeitig gesteht sie, dass der hohe Papierverbrauch aktuell noch ein Problem sei. Gemeinsam mit ihren Lieferanten tüftelt sie an verschiedenen Lösungen: „Viele steigen auf Pfandeimer um. Das ist zwar logistisch eine Hürde, aber ein weiterer Schritt Richtung Mehrweg.”

Ich zeige mich begeistert von ihrem Konzept und der riesigen Auswahl. Flüssigprodukte wie Öl, Essig, Waschoder Spülmittel lassen sich an Zapfanlagen bequem in Behältnisse abfüllen. Ein Kühlregal hält Gemüse und Obst frisch. Auch Kosmetikprodukte und Hygieneartikel gibt es zu genüge. Einige Artikel erkenne ich wieder, wie beispielsweise die Zahnpastatabletten oder die Zahnbürsten mit Holzgriff, deren Borsten beispielsweise aus Bio-Plastik auf Rizinusöl-Basis bestehen und damit zu 100 Prozent erdölfrei sind. Fleisch gibt es zwar nicht, ihr Laden ist vorwiegend vegan, dennoch gehört eine große Auswahl an Milchprodukten zum Angebot und auch eine Käsetheke präsentiert diverse Köstlichkeiten.

Um den Einkauf sicher nach Hause zu bringen, „darf es gern auch die Tupperdose sein”, meint Sarah. „Es ist nicht verwerflich, eine Plastikdose mitzubringen, solange man sie mehrfach verwendet. Dann macht das Prinzip schließlich Sinn.” Wer seine Blechdose, sein Glas oder die langlebige Plastikdose einmal vergisst, findet aber auch vor Ort zu einem guten Preis Ersatz. So steht einem spontanen Einkauf nichts im Wege.

Kleine Schritte wagen

Mein Resultat: Der Verzicht auf Plastik ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen stattfindet. In kleinen Schritten ist es allerdings möglich, sein Konsumverhalten zu ändern, denn Alternativen sind da. Wer nachhaltig leben möchte und auf seine Umwelt achtet, kann dies auch durch kleine Umstellungen im Alltag bewirken.

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