Qualitatives Interview: Fliegen

 Projektmitarbeiterin: Theresa Schamberg

Idee & Forschungsfrage

Da das Thema „Umwelt“ mich persönlich interessiert und es auch in Deutschland ein immer größeres Interesse bekommt, wollte ich gerne zu diesem Thema forschen. Da mein Vater in seinem Beruf mit der Luftfahrt zu tun hat, bin ich schnell auf den Zusammenhang zwischen Umweltschutz und Verschmutzung durch das Fliegen gekommen. Mich hat interessiert, ob oder inwieweit für meinen Vater, als umweltbewussten Mensch, Konflikte entstehen aufgrund seiner Arbeit.
Ich habe folgende Forschungsfrage aufgestellt: Mit welchem Selbstverständnis erlebt ein umweltbewusster Mensch seinen Berufsalltag in einem umweltschädlichen Unternehmen und wie geht er mit dieser möglichen Ambivalenz um? Mir war dabei wichtig, ein globales Thema aus einer subjektiven und für mich neuen Perspektive kennenzulernen.

Durchführung

Im ersten Schritt habe ich Kontakt zu meinem Interviewpartner aufgenommen. Da dieser mein Vater war, war die Kontaktaufnahme relativ einfach. Ich habe zu Hause angerufen, ihm von dem Projekt erzählt und ihn gefragt, ob er sich vorstellen könnte, das Interview mit mir durchzuführen. Er hat eingewilligt.
Wir haben einen Termin für ein Telefonat abgemacht, zu dem ich ihn dann angerufen habe. Ein persönliches Treffen war leider nicht möglich. Ich habe das Telefonat mit zwei Diktiergeräten aufgenommen, ansonsten hatte ich Notizen, Stift und Papier dabei. Vor dem Telefonat habe ich mich in meine Fragen eingelesen und mir einen möglichst ruhigen Platz in meiner Wohnung gesucht. Bevor ich mit der ersten Frage eingestiegen bin, habe ich meinen Vater mündlich über den Zweck des Interviews aufgeklärt und Datenschutz-Fragen geklärt.
Das Interview hat insgesamt ca. 35 Minuten gedauert. Am Ende habe ich mich noch einmal für die Teilnahme bedankt. Nachdem ich die Diktiergeräte abgeschaltet hatte, haben wir uns noch privat über das Interview ausgetauscht.

Eindrücke, Einsichten, Ergebnisse

Vor dem Beginn des Interviews habe ich mir Gedanken über meine Rolle und die Atmosphäre gemacht, da wir ein sehr familiäres und warmes Verhältnis zueinander haben. Zu Beginn des Gesprächs gab es tatsächlich eine Situation, in der ich schon meine erste Frage gestellt hatte und mein Vater mich dann noch einmal auf die Aufzeichnung des Gesprächs ansprach. Er wollte sicher gehen, dass alles funktioniert, und hat mich deswegen gefragt, ob ich mit der Funktionsweise der App, die ich zur Aufnahme benutzt habe, vertraut sei. Danach hatte ich das Gefühl, die Gesprächssteuerung unter Kontrolle zu haben.
Für mich war das Interview sehr angenehm, da mein Vater mir als Gesprächspartner nicht fremd war. Ich konnte schnell einordnen, worüber er redet, und musste mir im Vorhinein keine Gedanken über unangenehme Situationen machen. Zu Beginn des Interviews hatte ich den Eindruck, viele Fragen zu haben, die lange zu beantworten bräuchten. Es hat sich jedoch schnell herausgestellt, dass ich eher zu wenige Fragen hatte, um 30 Minuten zu füllen. Einige Fragen wurden auch schon durch andere Erklärungen beantwortet und sind deswegen weggefallen. Mein Eindruck war, dass ich meine Forschungsfrage trotzdem gut beantworten konnte.

Auszug Interviewtext

Interviewerin: Hmm. Ok. Ich würde nochmal ganz gerne so ein bisschen zurückkommen zum Job. Ähm ... du hattest ja in den letzten … vor allem in den letzten Monaten, ähm, und Wochen, aber auch grundsätzlich, immer viele Dienstreisen. Und mich würde interessierten, wie du zu Dienstreisen stehst. Also meinst du, es sind zu viele? Meinst du, sie sind unnötig? Wird da verschwenderisch mit Flügen umgegangen? Also, ähm, wie empfindest du das Verhalten des Unternehmens dienstlichen Flugreisen gegenüber?
Interviewpartner: Ja … Also insgesamt sind die dienstlichen Flugreisen deutlich zurückgegangen, weil durch die neuen Technologien, wie beispielsweise Skype, ähm, sehr sehr viele Dienstreisen einfach obsolet geworden sind. Man muss heute, um eine Auseinandersetzung in der Firma zu haben, also eine positive Auseinandersetzung zu einem Thema, keine Dienstreise mehr machen, und das machen wir auch nicht. Wir haben quasi gar keine Dienstreisen mehr für irgendwelche internen Themen, bis auf Ausnahmen, wo man sagt, man muss jetzt einfach auch aus Gründen von socialising, und da gibt es eben keine digitale Alternative zu, einfach mal ein Team zusammenbringen, Menschen zusammenbringen, mal Zeit miteinander zu verbringen, das machen wir schon. Das ist das eine, und das zweite ist, ähm, dass wir auch dann reisen müssen, wenn einfach der Kunde das verlangt. Wenn der Kunde sagt, ich möchte dich sehen, ich möchte mit dir sprechen, ich möchte einen direkten Dialog haben, auch dann reisen wir. Insgesamt ist mein Dienstreiseaufkommen, insbesondere für eine vertriebliche Tätigkeit, eher gering. Das sind nämlich genau diese Dinge, dass ich mich entweder mit meinem Team mal treffen muss oder dass ich zu Kunden fliege. Und das sind dann eher schon wenige Reisen, die ich da mache.
Interviewerin: Hast du da konkrete Zahlen? Vielleicht so von den letzten Monaten?
Interviewpartner: Also ich denke mal, dass ich im Durchschnitt nicht mehr als eine Dienstreise im Monat habe.
Interviewerin: Ok. Und wie weit ist die so im Durchschnitt?
Interviewpartner: Hmmm. Ja. Sind schon Europareisen ne ganze Menge dabei. Eine Europareise sind dann so 1.000 km. Aber ich war zum Beispiel dieses Jahr auch in Chile, ähm, da reden wir dann eher so über 12.000 km. Ich war einmal in China. 8-9.000 km. Also ich würde mal sagen, 80% der Reisen sind dann so im Bereich des europäischen Kontextes, also so um die 1.000 km oder bis 1.000 km, und dann 20% ist wahrscheinlich eher längere Dienstreisen.
Interviewerin: Hmm. Und hast du im Alltag das Bedürfnis, dein Verhalten so zu verändern, dass du diese Reisen, ich sag mal in Anführungszeichen, ein bisschen ausgleichen kannst? Also hast du das Gefühl, ähm‚ dadurch dass ich viel reise, sollte ich auf etwas anderes jetzt besonders achten, oder trennst du das auch emotional?
Interviewpartner: Das trenne ich vollständig, denn ich sage mal, ich versuche die Dienstreisen zu vermeiden, aber nicht nur wegen der Umwelt, sondern ich versuche sowieso sie zu vermeiden, weil sie immer mit Zeitverlust einhergehen, auch privatem Zeitverlust, weil sie teuer sind, und, ähm, das versucht man sowieso, das auf ein Minimum zu reduzieren. Das heißt, die Dienstreisen, die ich mache, halte ich für dringend erforderlich, und ich glaube, man sollte lieber in seinem Leben sowieso versuchen, egal ob ich eine Dienstreise mache oder nicht, ähm, dort die Umwelt zu schonen, wo das möglich ist, das sollte aber auch derjenige machen, der keine Dienstreise hat oder nicht fliegt. Weil es gibt ja keinen Grund, die Dinge, die man richtigerweise tun kann, zu unterlassen, nur weil man nicht fliegt. Also, da sehe ich gar keinen logischen Zusammenhang.

Kommentar

Für das Beispiel habe ich diesen Auszug des Gesprächs ausgewählt, weil es für mich schon einen großen Teil der Forschungsfrage beantwortet. Außerdem finde ich die Argumentation zu dem Thema „Ausgleich im Verhalten“ interessant. Und zum Dritten sagt dieser Abschnitt auch etwas über die Arbeit meines Vaters aus. Daher habe ich das Gefühl, dass es ein guter Querschnitt aus dem Interview ist und einen passenden Eindruck vermittelt.

Reflexion

Im Großen und Ganzen bin ich mit dem Verlauf des Interviews zufrieden. Im Nachhinein habe ich viele Stellen gefunden, an denen man noch einmal hätte nachhaken können und an denen das Gespräch noch einmal eine andere Wendung hätte nehmen können. Allerdings konnte ich meine Forschungsfrage beantworten, und ich konnte meine Fragen, dich ich mir überlegt hatte, stellen, ohne dass ich das Gefühl hatte, die Kohärenz des Texts zu vernachlässigen.
Ich habe mich bei dem gesamten Prozess wohl gefühlt und konnte mit dem Interview eine neue Erfahrung sammeln. Sie wäre allerdings noch etwas realistischer gewesen, wenn ich eine mir fremde Person interviewt hätte.

 

 

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