Qualitatives Interview: Inklusion

 Projektmitarbeiterinnen: Veronika Hinrichs & Paula Herrmann

Idee & Forschungsfrage

In den vergangenen Jahren hat das Thema Inklusion immer mehr an Aufmerksamkeit gewonnen. Statt jedoch nur über Menschen zu sprechen, die mit dieser Thematik in direktem Kontakt stehen, wollten wir mit diesen Personen sprechen und so einen Einblick in ihre Sichtweise gewinnen.
Im Speziellen hat uns die Beschulung eines behinderten Kindes interessiert, und wie Eltern diese wahrnehmen, mit welchen Schwierigkeiten und Problemen sie zu kämpfen hatten und haben und was auf der anderen Seite auch schon gut umgesetzt ist. Deshalb haben wir unsere Forschungsfrage folgendermaßen formuliert: Welche Erfahrungen haben Eltern eines behinderten Kindes mit Beschulung gemacht und wie erleben sie somit Inklusion?

Durchführung

Zunächst haben wir uns mit einer Mutter aus dem entfernten Bekanntenkreis in Verbindung gesetzt, die ein geistig behindertes Kind hat.
Kontakt wurde über einen Messengerdienst aufgenommen, um abzuklären, ob überhaupt die Bereitschaft vorhanden sei, ein Interview zu dem Thema mit uns zu führen. Nachdem sie zugestimmt hatte, wurde ein Termin ausgemacht. Aufgrund geographischer Entfernung zwischen den Interviewenden und der Erzählperson hatten wir uns bereits im Vorfeld auf ein Interview per Videotelefonie geeinigt.
Geführt wurde das Interview zum vereinbarten Termin per Videotelefonie über ein Smartphone, während zwei Geräte zur Tonaufnahme bereitlagen. Zudem wurde vor dem Interview ein Fragenkatalog ausgearbeitet, an dem wir uns während des Interviews orientieren konnten und somit einen gewissen Leitfaden hatten, um bei der Thematik zu bleiben und nicht allzu weit abzuschweifen.

Eindrücke, Einsichten, Ergebnisse

Die Kontaktaufnahme sowie die Terminvereinbarung verliefen komplikationsfrei, die Videotelefonie war somit ein guter Ersatz zu einem persönlichen Treffen.
Schon bei der Begrüßung herrschte eine angenehme Gesprächsatmosphäre auf beiden Seiten und so konnte man gut ins Interview einsteigen. Die Erzählperson war sehr offen in ihren Erzählungen und schilderte viele ihrer Erfahrungen recht detailliert, so dass man sich als Interviewende ein gutes Bild von der Gesamtsituation machen konnte, die gerade beschrieben wurde.
Unangenehme Pausen oder Stille gab es nicht, da die Erzählperson recht gesprächsbereit war, die Interviewenden aber auch ein gutes Gespür dafür hatten, wann ein weiterer Impuls zur Erzählaufforderung gegeben werden musste. Auf diese gegebenen Impulse reagierte die Erzählperson immer, dennoch wurde auch sehr viel um die eigentliche Thematik herum geschildert.
Insgesamt verlief das Interview in einer angenehmen Atmosphäre und auf Augenhöhe.

Auszug Interviewtext

Dass man dann ein bisschen Integration so macht. Ja, und viele – einige haben gelacht, so’n bisschen belächelt. Das müsste ja nicht sein und, ähm, auch unter dem Motto, ähm: „Ja, unsere Regelkinder wollen ja auch was lernen, die brauchen einen guten Abschluss“, und unsere Kinder stören dann. [...] Genau. Und wir waren ja erst Kooperation und dann sagten die auch: „Mensch, das ist nur Kunst, Sport und so, das ist jetzt nicht so Mathe oder Deutsch“ und dann haben sie es auch verstanden, aber, ähm. Also, einige Eltern, die fanden das ganz gut, und andere sagten: „Ja, manchmal stören die auch“, so.
Und das fand ich denn also auch wieder blöd. Die haben dann auch ihre Kinder wieder rausgenommen dann, nech, aus dieser, äh, dieser sozusagen Kooperationsklasse, die wollten das denn nicht.
Weil die Angst hatten, dass ihre Kinder dann nicht den Abschluss schaffen, dann, nech? [...] Das hat ja nichts mit Inklusion zu tun, finde ich so, wenn gerade solche Eltern, also eigentlich so gemein sind, auch so. So, nech, ähm, so. Das tut dann auch weh, das so mit anhören zu müssen, weil man versucht dann auch schon, ähm, dass die Kinder integriert werden, aber die tun nichts dagegen ihre Kinder aufzuklären, so, nech?

Kommentar

Anhand des Interviewauszugs lässt sich gut die Einstellung der Erzählperson gegenüber Eltern nicht behinderter Kinder ablesen, die wenig bis gar kein Verständnis für die Situation behinderter Kinder und ihrer Eltern aufbringen.
Diese Haltung ist Schlüsselpunkt des Interviews, da hier deutlich wird, dass sich die Kritik eher gegen andere Eltern und deren Mangel an Aufklärung gegenüber ihren Kindern und weniger gegen das Schulsystem richtet.
Dies war überraschend, da wir mit der Erwartung in das Interview gegangen sind, dass die Probleme mehr im System liegen.

Reflexion

Die Entscheidung für die Videotelefonie war angesichts der Distanz zwischen den Wohnorten der Interviewenden und der Erzählperson eine gute Entscheidung. Auch die Technik hat bis auf wenige Ausnahmen einwandfrei funktioniert, jedoch waren diese kurzen Aussetzer nicht dramatisch für das Interviewgeschehen oder die anschließende Transkription.
Dennoch hat die Führung des Interviews über Videotelefonie es den Interviewenden erschwert, einen guten Moment abzupassen, um eine neue Frage zu stellen oder aber den Redefluss der Erzählperson zu bremsen, wenn diese zu weit von der ursprünglich gestellten Frage abwich, da weniger Körpersignale wahrgenommen werden konnten, wie es in einem persönlichen Gespräch möglich gewesen wäre.
Aufgrund des eher unstrukturierten Redeflusses der Erzählperson war es teilweise schwierig, einen Bogen zur nächsten Frage zu schlagen und gedanklich abzuhaken, welche Fragen bereits beantwortet wurden. Dies hatte auch damit zu tun, dass einige Fragen beantwortet wurden, ohne dass die Interviewenden einen konkreten Impuls geben mussten. Der Fragebogen war daher eine gute Entscheidung, um den Überblick zu behalten, da so während des laufenden Interviews die bereits beantworteten Fragen abgehakt werden konnten.
Bezüglich der Aussagekraft des Interviews lässt sich sagen, dass die Forschungsfrage ausführlich beantwortet wurde, jedoch auch einiges gefiltert werden musste, das nicht in direktem Zusammenhang mit jener Frage steht. Es wurden Erfahrungen in Bezug auf Lehrkräfte, Mitschüler*innen und deren Eltern, das Schulsystem sowie die Gesellschaft geschildert. Auch eine Gegenüberstellung der Gegebenheiten und Möglichkeiten von Dorf und Stadt wurde angemerkt.
Die Forschungsfrage lässt sich nach diesem Interview wie folgt beantworten: Mit den verschiedenen Beschulungsformen hat die Erzählperson weitestgehend gute Erfahrungen gemacht, ihre Kritik richtet sich überwiegend an jene Personen, die der Inklusion behinderter Menschen nicht offen und bereit gegenüberstehen. Es handelt sich bei ihren Aussagen überwiegend um Gesellschaftskritik und weniger um Kritik am Schulsystem.

 

 

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