Qualitatives Interview: Bouldern

Projektmitarbeiterinnen: Anysia Böttcher & Theresa Berthel

Idee & Forschungsfrage

Heute ist es ganz typisch, dass man sich beruflich umorientiert, und deshalb auch nicht mehr selbstverständlich, dass man in dem Beruf arbeitet, den man gelernt hat. Uns hat es interessiert, warum sich eine Person dazu entscheidet, sich beruflich umzuorientieren, und welche Faktoren dort mit hineinspielen.
Deshalb haben wir uns den/die Chef*in einer Boulderhalle ausgesucht, von dem/der wir wussten, dass er/sie einen anderen Beruf gelernt hat, als er/sie jetzt ausübt. Früher war er/sie als Goldschmied*in und danach als Industriekletterer*in tätig, bevor er/sie sich dazu entschloss, eine Boulderhalle zu eröffnen.

Durchführung

Nach telefonischer Terminabsprache haben wir uns mit dem/r Interviewpartner*in direkt in der Boulderhalle getroffen, um das Interview durchzuführen. Unser Team bestand aus zwei Personen, wovon eine Person die Interviewfragen gestellt hat, während die andere Person als Beobachterin tätig war und sich Notizen gemacht hat. Die Interviewaufzeichnung hat 25 Minuten gedauert. Insgesamt haben wir dort eine Stunde verbracht; die restliche Zeit haben wir den/die Interviewpartner*in aufgeklärt, unter welchen Rahmenbedingungen wir das Interview gestalten.

Eindrücke, Einsichten, Ergebnisse

Eindrücke, Einsichten & Ergebnisse

Das Interview fand im Büro des/der Interviewpartner*in statt. Deshalb kam es zu einigen Unterbrechungen durch Personal und Telefon. Wir wurden vorher informiert, dass es zu Störungen kommen kann, so dass wir uns darauf einstellen konnten.
Für uns hatte das den Vorteil, dass wir kurz Zeit hatten, uns vor der Tür auszutauschen und neue Fragen zu überlegen, da wir schnell feststellen mussten, dass die von uns vorbereitete Fragenanzahl zu knapp bemessen war.
Der/die Interviewpartner*in hat die Beweggründe, sich beruflich umzuorientieren, lebhaft geschildert, so dass wir eine gute und eindrucksvolle Einsicht in dieses Thema erhalten konnten.

Auszug Interviewtext

Interviewerin: Wenn du nochmal die Wahl hättest, würdest du dich dann nochmal so entscheiden, diese Halle zu bauen? Jetzt so rückblickend nach anderthalb Jahren?
Interviewpartner*in: Ja, hundert Prozent. Aber ich muss auch sagen, ich würde nie in meinem Leben das Wort „Was wäre wenn“, also dieses „wenn“, „hätte ich mal“, das is, was bei mir im Leben nich geht. Ich entscheide mich für was und stehe hundert Prozent dahinter. Und wenn ich mich dann weiter entwickelt habe, wie zum Industrie- Industrieklettern vorher, dann war das halt n Prozess, und es war nich vermeidbar. Die Goldschmiede, der Goldpreis war so, ich musste mich entscheiden und hab ne gute Entscheidung getroffen, mit der ich gut leben konnte. Ne Weile. Und dann begann der nächste Schritt und ich hab mich wieder weiterentwickelt. Das is alles immer ein Prozess. Und ja, ich würde es definitiv wieder machen.
Interviewerin: Okay. Letzte Frage: Was macht dir an deiner Arbeit am meisten Spaß, jetzt? […]
Interviewpartner*in: Äh, was macht mir Spaß? Also erstens muss ich sagen, das Industrieklettern vermiss ich manchmal, das is jetzt auch die Beantwortung der Frage. Aber ich bin froh, dass ich nicht mehr draußen, bei Minusgraden zum Beispiel, irgendwo im Seil hängen muss. Da jaa ... Das schönste, glaube ich, an den, an dem Bereich, was ich momentan mache, an der [Boulderhalle], ist, dass ich jeden Tag in den Gesichtern sehe, dass, äh, den Leuten, das, was wir machen, gefällt. Dass sie Spaß ham, dass sie gerne kommen, dass sie Leute mitbringen, dass sie och mit mir ein Bierchen trinken, dass sie sich freuen, wenn ich einfach nur eben denen „Hallo“ sage, dass sie hier ein schönen Platz gefunden haben und es viele als ihr zweites Wohnzimmer bezeichnen. Das ist, glaube ich, das Schöne. Und dass man hier jeden Tag klettern darf. Und dass man so viele Griffe kaufen darf.
Interviewerin: (lacht) Man sich selber seinen Spielplatz bauen kann, quasi.
Interviewpartner*in: Das is, ich bin das größte Kind hier. Das is‘n bisschen wie, ja, das is ‘nen Lebenstraum verwirklichen. Das stimmt schon.

Kommentar

Für uns war die positive Sicht des/der Interviewpartner*in auf den Verlauf der Dinge sehr bemerkenswert. Dazu wird in diesem Auszug deutlich, wie viel Spaß der/die Interviewpartner*in an seiner/ihrer Arbeit jetzt hat und dass sich der Aufwand der beruflichen Umorientierung auf jeden Fall gelohnt hat.

Reflexion

Die Forschungsfrage, die wir uns gestellt haben, konnte im Interview vollständig beantwortet werden. Der/die Interviewpartner*in hat sehr offen über seine/ihre Erlebnisse berichtet. Wir haben es bereut, nicht noch mehr Fragen formuliert zu haben, allerdings hat die spontane Fragenüberlegung besser geklappt als gedacht. Es war sehr interessant, einem Menschen doch sehr persönliche Fragen stellen zu dürfen, die auch offen beantwortet wurden. Unsere Erwartungen wurden erfüllt. Leider haben wir den Umfang von 30 Minuten Interviewführung falsch eingeschätzt, aber nun wissen wir für das nächste Mal, was wir anders machen können.
Besonders beeindruckt hat uns der Blick des/der Interviewpartner*in auf seinen/ihren Lebensweg, der kein Blick des Scheiterns gewesen ist, sondern eine positive Sicht auf Dinge, die man nicht ändern kann.

 

 

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